Dienstag, 9. Dezember 2014

Was kochen zu Weihnachten (Ähnlichkeiten mit der Geschichte sind tatsächlich Wahrheit, Weihnachten 2009)

Emmely erwartet ihre Kinder aus dem Schwarzwald zu Weihnachten bei sich in Köln. Endlich sollte sie ihr Enkelkind Jonas, der gerade mal 4 Monate alt ist, sehen. Sie freut sich unglaublich auf ihren Sohn, die Schwiegertochter, das Enkelkind und ihre Tochter Mona, die bei ihrem Sohn Tobi lebt, weil sie in Tübingen studiert. Die Geschenke hatte sie alle bereits besorgt. Ein puscheliges Schaukelpferd für Jonas, einen selbst gestrickten modernen Schal für Mona, Lukas, ihr Sohn erhielt einen Schlüsselanhänger mit einem Foto seines kleinen Sohnes, den sie mit einem Foto anfertigen ließ, das ihr die Kinder per email geschickt hatten. Lena, ihre Schwiegertochter, sollte ein Kochbuch erhalten, das Emmely von ihrer Mutter geerbt hatte. Selbst die Hotelzimmer hatte sie bestellt und bereits im Voraus bezahlt, weil ihre Wohnung zu klein war, um alle zu beherbergen. Alles war bestens vorbereitet, bis auf das Essen. Was wollte sie kochen? Was sollte sie kochen? Sie hatte keine Ahnung, was ihre Kinder mittlerweile an Gewohnheiten abgelegt hatten, oder wie sich in ihren Essgewohnheiten verändert hatten. Sie zu fragen, fand sie doof und einfaltslos. Also entschloss sie sich, das zu kochen, von dem sie glaubte, dass es allen schmecken würde. Emmely kaufte Rotkohl, allerdings nicht im Glas, sondern als ‚Kappes‘. Sie wollte ihn selbst zubereiten. Sie kaufte Kartoffeln, um Klöße selbst zuzubereiten, holte beim Schlachter Brühe, um eine geniale Soße zu ihren Braten perfekt kreieren zu können. Einen Tag vor Heiligabend begab sie sich an die Vorbereitungen. Sie kochte die Kartoffeln an, um sie später durchzudrehen, schnitt das Rotkraut, würzte es und ließ es sanft garen. Aber was war mit Fleisch? Was wollte sie für einen Braten dazu machen? Zu Knödel und Rotkraut passt alles: Ente, Rinder-, Schweine-oder Geflügelbraten. Nichts von allen Zubereitungsarten war ihr fremd, nur die Geschmäcker ihrer Kinder waren es auf einmal! Sie mochte nicht extra anrufen und nachfragen, also beschloss Sie, von allem etwas zuzubereiten. Am nächsten Morgen, der letzten Möglichkeit, sich mit Bedürfnissen zu Weihnachten einzudecken, begab sie sich zu ihrem Supermarkt. Der Markt, wo man ‚aldi‘ Dinge bekommt, die man zum Leben braucht, hatte bereits um 11.00 Uhr seine Truhen leer. Emmely zog weiter zum nächsten Discounter, wo man etliche ‚Penny´s‘ sparen kann, stellte jedoch fest, dass auch dort bereits gehamstert wurde. Nach etlichen Durchläufen sämtlicher Discounter in ihrer Umgebung, ließ sie ihre Not zuletzt im Einzelhandel landen. Dort erwarb sie dann letztendlich alles, was sie sich für ein Weihnachtsmahl mit ihren Lieben erstehen konnte. Teuer zwar, aber egal. Zufrieden fuhr sie nach Hause, legte das vielfältige Fleisch ein, setzte sich erschöpft auf die Couch. Zufriedenheit umgab sie. Was sollte jetzt noch das Fest vermiesen? Am Heiligabendmorgen stand Emmely rechtzeitig auf, um das Essen für den Abend vorzubereiten. Sie hatte am Vorabend bereits die kleine Nordmann-Tanne in ihren Ständer verfrachtet und liebevoll mit den Strohsternen, die ihre Kinder ihr vor x Jahren gebastelt hatten, die sie immer noch aufgehoben hatte, und mit einigen bunten Kugeln und Lametta geschmückt. Es machte sich in ihr eine Zufriedenheit breit, weil alles bestens vorbereitet war. Bald würden sie kommen! Ihre Lieben Kinder, Enkelsohn und Schwiegertochter. Bald war es 18 Uhr. Um diese Uhrzeit wollten sie eintreffen. Das Essen war fertig, der Tisch festlich gedeckt, die Geschenke liebevoll unter dem Baum platziert, das Essen auf dem Herd vorbereitet, die Musik leise angestellt. 19.00 Uhr – sie wurde langsam unruhig. Die Kinder waren noch nicht da. Na ja, kann ja mal sein, dass sie in einen Stau gekommen sind. Sicher fahren alle zu Weihnachten zu ihren Familien. Das verursacht schon mal Stau auf der Autobahn. 20.00 Uhr. Ihre Familie hatte sich noch nicht bei ihr gemeldet. Unruhig setzte sie sich ins Wohnzimmer und schaltete die Nachrichten ein. Eine schreckliche Nachricht ließ sie aufschreien. Auf der Autobahn war ein unglaublicher Unfall geschehen. Ein Falschfahrer hatte einen Massenunfall auf der Strecke verursacht, auf der ihre Lieben unterwegs waren. Emmely erlebte die unfassbarsten Bilder im Fernsehen, eines tragischen Unfalls und erkannte unter den Fahrzeugen, die die Kamera streifte, das Fahrzeug ihrer Kinder! Das war ein Irrtum und konnte nicht wahr sein!!!! Ihre Beine gehorchten nicht mehr und sie brach zusammen. Emmily wurde ohnmächtig. Stundenlang. Sie wurde erst wieder wach, als es laut an ihrer Tür klopfte, sie Rufe vernahm, die ihren Namen riefen. Sie erhob sich erschrocken vom Boden und begab sich zur Tür, ohne sich momentan der Situation bewusst zu sein. Der Rest, den die Beamten ihr erzählten, nahm sie nur unrealistisch wahr. Sie war thraumatisiert. Psychologen nahmen sich ihrer an. Lange Jahre hat sie gebraucht, um zu akzeptieren, was das Schicksal für sie bereit hielt. Heute kümmert sie sich um ‚Thrauma-kranke-Menschen‘, nachdem sie verstanden hat, dass man sich nicht zu viele Gedanken um nichtige Dinge, wie z.B. ESSEN, machen soll. Ihr Ratschlag an alle Menschen ist heute der: „Freut Euch, genießt die Momente, lebt Euer Leben und das in der Gewissheit, dass alles kommt, wie es kommen soll. Behaltet Erinnerungen, aber haltet nicht an ihnen fest! Gebt Eurem Leben eine neue Chance, eine neue Richtung, einen neuen Glanz! Kümmert Euch um wichtige Dinge – nicht um Braten, Braten oder Braten…..“ © Christiane Rühmann

Freitag, 29. August 2014

Jung

Sie waren jung. Sie belogen und betrogen, sie schätzten und hetzten, sie nahmen und gaben, sie lebten und genossen, waren stets sehr unverdrossen, sie eilten und teilten, bis sie dann- in ihrem jetzigen ICH verweilten… © Christiane Rühmann

Dienstag, 10. Juni 2014

Heimat ist, wo Pütt ist

Er hatte genug von den angestaubten grauen Fassaden der Siedlung. Das ganze Stadtviertel lebte vom Bergbau. Siggi, wie er hier von allen genannt wurde, lebte immer noch in dem Dachgeschoßzimmer mit Schräge und der primitiv zu handhabenden Dachluke. Er lag auf seinem Bett und starrte gegen die Decke. Eigentlich müsste er mal neu tapezieren, aber er hatte es satt, hier länger zu wohnen. Seit seiner Geburt bewohnte er bereits dieses Zimmer. Seine Schwester hatte ihres nebenan und sein Bruder gegenüber. Alles war so grau und trist. In jedem Zimmer hing ein Bildnis der „Heiligen Barbara“, der Schutzpatronin der Bergleute. Er kannte noch nicht einmal wirklich ihre Geschichte und was sie mit den Bergleuten verband, er wusste nur, dass sie sie, als der Berg sich öffnete, beschützt haben soll, als sie selbst auf der Flucht vor ihrem fürchterlichen Vater war. Und seither, so sagt es die Heiligenerzählung, beschützt sie alle, die den Berg betreten können und sich unter Tage aufhalten. Siggi dachte an seinen Vater, der an seiner Staublunge elendig verstorben war. Es war wohl das Schicksal vieler Bergleute. Er war Steiger und nur darauf bedacht, seine Familie glücklich zu machen. Dass er sie eigentlich unglücklich machte, war ihm wohl niemals in den Sinn gekommen, denn schließlich hatte er doch für alles gesorgt. Trotz Unterbezahlung hatte er es geschafft, seiner Familie eine Doppelhaushälfte zu ermöglichen. Die andere Hälfte bewohnte dessen Bruder Atze mit seiner Familie. Es gab kaum Platz für Spiele – aber es gab viel Platz für viel Herz! Das Wochenende verbrachten sie stets in ihrem kleinen Schrebergarten, gleich neben den Bahnschienen. Er war wie eine Oase, in der sie sich erholen konnten. Hier vergaßen sie ihre ewige Angst vor Grubenunglücken und die Geldnot wegen der ständigen Arzt- und Arzneirechnungen. Nun ja, es war doch irgendwie schön, wenn sie gemeinsam dort hin marschierten und Mutter Apfelkuchen oder „Muschipizza“, wie Onkel Atze frecherweise die Pflaumenplatte nannte, gebacken und alles in dem Bollerwagen verstaute, auf dem auch kurzfristig eine Kiste Bier parkte, in ihre Oase zogen. Die vorbeifahrenden Güterzüge nahm niemand mehr so wirklich wahr. Sie gehörten einfach zu aller Tagesablauf dazu. Man sprach halt etwas lauter, wenn einer vorüber donnerte. Auch sonst war es ja gar nicht so übel hier. Gleich um die Ecke befand sich ein Kiosk, wo es außer den Zigaretten, Zeitungen und einer Flasche Bier auch noch immer ein nettes Pläuschken gab. Daneben befand sich ein altes Ziegelgebäude, hinter dessen poröser Fassade Siggi ein Geheimversteck hatte. Hier hatte er Briefe versteckt, die dem Leser seine heimliche Liebe zu Giesela preisgeben würden. Auch einen Wimpel hatte er dort deponiert, von seinem Verein, dem FC Schalke 04. Zu Hause konnte er ihn nicht aufbewahren, weil sämtliche Freunde und seine Familie Fans des VFL und der BORUSSIA waren. Er war nicht stark genug, zu seinem Verein zu stehen, aber heimlich – heimlich betete er seine Favoriten an. Ja, und nun, nach Vaters Krebstod war er das Familienoberhaupt und hatte dafür zu sorgen, dass Geld in die Kasse floss. Aber er war nun mal kein Bergmann, wie sein jüngerer Bruder oder sein Onkel. Selbst seine Schwester arbeitete auf der Zeche, allerdings in der Verwaltung. Siggi war anders. Er suchte neue Herausforderungen, wollte die Welt sehen, seinen geistigen Horizont erweitern und mehr Geld verdienen, als er es hier auf´m Pütt könne. Er wollte einfach raus aus dem Ruhrpott. Daher hatte er sich bei einer Baufirma beworben, die in Japan nach europäischem Muster Wohnsiedlungen bauten. Er hatte nach Abschluss der Schule Maurer gelernt und war mittlerweile Maurermeister, also für die Baufirma bestens geeignet. Das Vorhaben sollte zwei Jahre dauern und würde ihm außergewöhnlich viel Geld bringen, das er natürlich seiner Familie zu Gute kommen lassen würde. Was hatte er hier denn auch für eine Zukunft? Er musste es nur noch irgendwie seiner Familie beibringen. Nach seiner Offenbarung bei einer Familiensitzung, zeigten jedoch alle mehr Verständnis für seine Entscheidung, als er angenommen hatte. Das erleichterte ihm den Abschied natürlich ungemein. Er packte seine Sachen und folgte dem fast unwiderstehlichen Angebot. Die Zeit verging und sie hatten eine Menge Häuser in Koshido erbaut. Er befand sich bereits seit etwas mehr als einem Jahr hier. Die Baufirma hatte gute Arbeit geleistet und aus diesem Grund weitere Aufträge in Japan erhalten. Er erhielt bei bereits allerbester Bezahlung das Angebot, weitere zwei Jahre hier zu verbringen und den Aufbau voran zu treiben. Sein Lohn sollte weiter aufgestockt werden und darüber hinaus konnte er jedes Vierteljahr einmal nach Hause fliegen. Er stand vor einer neuen Entscheidung. Seine Gedanken kreisten und waren im Moment genau so verstaubt, wie die Fenster in der Umgebung der alten Zeche in seiner Heimat. Je mehr er nachdachte, umso klarer wurde es in seinem Kopf und sein Entschluss immer deutlicher. All das, vor dem er geflüchtet war, wurde zu einer Schlinge, die ihm den Hals zuschnürten. Ihn plagte Heimweh! Ihn, den Revolutionär, den Ausreißer, der vor der Realität davon gelaufen war! Wie mochte sich seine Mutter wohl fühlen, ohne ihn? Was war mit seiner kleinen Schwester, dem Bruder und seinen Kumpels? Was war sein Leben hier überhaupt ohne seinen Pütt? Er war in dem einen Jahr, seitdem er hier war, noch nicht zu Hause gewesen. Briefe, die sie wechselten, brauchten sehr lange und immer beteuerten ihm alle, dass es ihnen gut gehe, zu Hause. Auf einmal liefen Tränen ohne Aufhalt über seine im Lauf der Zeit fahl gewordenen Wangen. Er ließ ihnen ihren Lauf und begann sogar, laut zu schluchzen. Genau da fasste er den Entschluss: Er musste zurück , zurück nach Bottrop in die Zechensiedlung. Er sehnte sich plötzlich nach den Reibereien, die es von Zeit zu Zeit gab, nach den Frühschoppen im Revier, dem Getratsche seiner Familie, Freunden und Nachbarn. Die Fremde war doch nichts für ihn, das wusste er nun. Sie war einfach nicht seine Welt…. Mit einer Notlüge familiärer Art, entließ die Gesellschaft ihn schließlich nach seinem Entlassungsersuchen, vorzeitig aus dem Vertrag, wenn sie ihn auch nicht gerne gehen lassen wollten. Er hatte sogar noch eine Sonderzahlung zu erwarten, weil er mit großem Einsatz für das Unternehmen tätig gewesen war. Erst, als er knapp eine Woche später in der Straßenbahn zur Zeche saß, hellte sich sein Gesicht auf. Alles sah noch genau so aus, wie vor einem Jahr. Niemand wusste von seiner Rückkehr, er wollte alle überraschen. Um selbst erst einmal ‚anzukommen‘, war er drei Stationen vor zu Hause ausgestiegen. Er schulterte seinen Seemannssack und legte den Rest des Weges zu Fuß über die Aegidisstrasse zurück. Wie in Trance stieg er also aus der Bahn, schaute entlang der immer noch rötlichgrauen Häuserfassaden und bemerkte erst jetzt, wie schön Bottrop doch war. Er näherte sich dem alten Ziegelgebäude mit seinen losen Steinen, entfernte, nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihn niemand beobachtete, den immer noch losen Block und stellte fest, dass seine Geheimnisse noch vorhanden waren. Er griff in die Jackentasche und zog das Flug- und Bahnticket heraus und legte diese seinen Schätzen bei. Dann verschloss er mit dem Ziegel wieder seinen Geheimbunker und machte sich lächelnd auf den Heimweg. Nur noch ein paar Meter, dann war er daheim. Er klingelte. Eine alte, eingefallene Frau öffnete ihm die Tür – es war seine Mutter. Sie blickten sich nur kurz in die Augen und fielen sich dann in die Arme. „Willkommen zu Hause, mein Junge. Ich wusste, dass Du kommst, habe es gespürt“. Siggi folgte ihr in die Stube und stellte fest, dass sie ihn tatsächlich bereits erwartet zu haben schien. Es sah jedenfalls so aus. Es stand „sein“ Kaffeegedeck auf dem Wohnzimmertisch, und dass es nach frisch gebackenem Apfelkuchen roch, hatte er bereits auf der Straße vor dem Haus wahrgenommen. Liebevoll hatte sie alles zurecht gestellt. Den Kuchen hatte sie bereits in kleine handliche Stücke geschnitten und der frisch aufgebrühte Kaffe wartete in einer Kanne auf einem Stövchen darauf, bald getrunken zu werden. Mutter hatte ihn also tatsächlich erwartet. Tag für Tag glaubte sie an seine Rückkehr, nur heute war sie sich sicher, dass er kommen würde. Endlich war er wieder daheim auf dem Pütt! Wie gut das tat…. Kurz nach seiner Heimkehr erhielt er eine gut bezahlte Stelle als Meister in einem Bauunternehmen. Er begann sogar, seine Gedanken, Empfindungen und Emotionen niederzuschreiben. Er verfasste sie in kleine Kapitel, die er in dem Püttblättchen, das wöchentlich erschien, veröffentlichen konnte. Sie beschrieben sein Erlebtes, den Fortgang und die Heimkehr in sein geliebtes Bottrop. Der Titel seiner Veröffentlichungen lautete: HEIMAT IST, WO PÜTT IST …….. © Christiane Rühmann (20.03.2010)

Donnerstag, 22. Mai 2014

Enkelins Storry Nummer 1

Wir sitzen während der Kommunionszeremonie in einer Kirche in Hamburg-Harburg. Die Familien, Angehörigen und Freunde der Kommunions-Kinder sitzen auf den signierten Bänken und warten auf die Zeremonie. Musikalische Beiträge von Kindern und Jugendlichen verkürzen die Wartezeit. Ein Jeder schaut in das Programm, das vor ihm liegt. Alle studieren die Beiträge und prüfen, ob sie selbst der Liedtexte noch mächtig sind. Langeweile nur für die kleinen Begleiter, die Geschwisterkinder oder die kleinen Kinder der Angehörigen und Freunde. So auch für meine kleine Zuckerschnecke mit ihren zwei Jahren. Sie hat alles registriert. Ich sah ihren kleinen Kopf rauchen vor lauter Fragen. Wenn die Kinder und Jugendlichen ihre musikalischen Beiträge vorbrachten, begann sie zu tanzen und zu klatschen, allerdings nur auf meinem, dem ihrer Mutter, ihres Vaters, oder dem irgendeines Bekannten Schosses. Musik macht ihr eben sehr viel Freude. Das Herumlaufen der Kleinen und auch Großen, wurde durch den sehr sympathischen afrikanischen Priester untersagt. Das Verlassen des Kirchengebäudes war ebenso nicht erwünscht, was ich persönlich nicht verstehen konnte, weil man stattdessen die Unruhe der Kleinstkinder ertragen bzw. regeln musste. Gut – er wollte es so, und trotzdem konnte sich zwangsläufig niemand daran halten, weil Kinder nun mal Kinder sind! Sie plappern laut, haben Hunger, weinen, kreischen und sind unzufrieden auf den steifen Plätzen, auf denen sie 1 ½ Stunden stumm verharren sollten. Ich kenne das aus anderen Kirchengemeinden anders! Egal! Sie war dreimal vor der Tür und hat sich die Beine vertreten und sich auf dem nebenan liegenden Spielplatz abreagieren können, so wie übrigens auch andere Besucherkinder der Heiligen Messe. Als sie leise bei Papa auf dem Arm wieder herein kam, wollte sie auf meinen Schoß. Ich flüsterte ihr ins Ohr, dass sie mal dahin oder dorthin schauen sollte, um sie abzulenken von ihrer Unruhe. Auch hatte ich, wie alle Eltern der lieben Kleinsten, zwei Bilderbücher in die Leiste gepackt, wo sonst nur Gesangbücher liegen. Sie hatte also die Möglichkeit, sich damit abzulenken. Bonbons befanden sich ja in der Tasche einer Bank-Nachbarin… Das war für die kleine Maus auch sehr wichtig und die forderte sie auch von Zeit zu Zeit. Doch dann schaute sie, auf meinen Fingerzeig hin, auf das überdimensional große Kreuz hinter dem Altar, an dem Jesus in erbärmlicher Weise angenagelt war. Ich bemerkte ihre Blicke. Selbst als Erwachsene fiel mir diese deutliche Abstraktion auffällig ins Auge, obwohl meine `abgebrühten` Augen dieses Bildnis mittlerweile gewohnt sind. Es gehört zum Christentum dazu und ist jedoch immer wieder erschreckend – auch für mich. Nach einer kurzen Weile, als sie wohl registriert hatte, was dort dargestellt war, sagte sie ganz laut in einer Sprechpause des Priesters: „ Oma, guck mal, DER ARME ! „ Ohnmächtig musste ich wahrnehmen, dass die Katholiken merkwürdigerweise kein Verständnis für ihre überaus laute und für mich durchaus lustige Aussage, hatten. Als ich mich verstohlen in der Runde umschaute, bemerkte ich nur böse Blicke. Die Menschen anderer Konfessionen beschmunzelten den Ausruf meiner kleinen Zuckerschnecke, weil ich selbst auch Kindermund sehr begrüße! Ich bin jedenfalls stolz auf die Wahrnehmungsfähigkeit meiner kleinen zweijährigen Enkelin. Alle anderen Meinungen sind für mich nichtig und vollkommen unverständlich. „Man kann nicht früh genug mit dem Begreifen beginnen“ (© Christiane Rühmann) Gott oder Jesus hätte diese Bemerkung meiner Enkelin sicherlich gefallen. © Christiane Rühmann (19.05.2014)

Montag, 28. April 2014

Zulassen

Lass Blüten zu in Deinem Herzen, lass Streicheln zu, bei Deinen Schmerzen, lass Liebe zu, alles zu heilen. © Christiane Rühmann

Samstag, 26. April 2014

Fritzchen

Jeden Tag sehne ich mich nach Dir. Ich schlafe nicht ohne Dich ein. Mir gefällt Deine Form, Deine Wärme, Deine Nähe. Du bist mir so vertraut. Du darfst mich begleiten, Du allein darfst nachts in meiner Nähe sein, Du gibst meinem Haupt Wärme und Halt. Ich kann nicht ohne Dich leben - mit Dir werde ich alt! Mein „FRITZCHEN“. © Christiane Rühmann

Donnerstag, 24. April 2014

HONDI - seine Gedanken

HONDI ist das liebenswerteste und treueste Auto, dass Ihr Euch vorstellen könnt. Auto-Alter sind gleichzustellen mit ‚Hundejahren‘, na ja, so irgendwie, also sind sie leistungsmäßig gleichzustellen mit einem Welpen, wenn sie bereits 16 Jahre oder mehr auf dem Puckel haben. So ergeht es unserem HONDI, einem kleinen blauen Honda Civic mit 55 kw/79 PS und einem Benzinmotor, dem lange Jahre nichts fehlte. HONDI stand traurig bei einer Autowerkstatt und glaubte, dass sich niemand für ihn interessieren würde, bis eine alte lustige Witwe kam, und ihn gegen einen 6-Zylinder und 178 kw-starken MB eintauschte. Warum tat die Frau das? HONDI beäugte sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge, denn die Frau nahm ihn zunächst zur ‚Probe‘ mit, mit einem roten Kenzeichen. Folgendes geht HONDI durch den Zylinderkopf: „Hurra, da ist ja jemand, der mich mag! Wie jetzt? Nur zur Probe? Oh, da muss ich mich ja anstrengen! Was, sie will mich eintauschen gegen einen 6-Zylinder? Kann ich kaum glauben! Hu, da muss ich mich ja anstrengen und mich von der besten Seite zeigen! Ich glaube jetzt nicht, was ich gerade vom Monteur gehört habe: „Der kleine Honda ist ja noch blutjung und hat erst 28 Tausend Kilometer gelaufen. Den Alten lassen wir über die Klippe springen!!!“ Hilfe! Für mich soll jemand sterben? Hm, ich verstehe es einfach nicht! Egal, Hauptsache, ich muss jetzt nicht mehr hier rumstehen und blöde grinsen, damit mich jemand kauft. Ist ja eh schon so anstrengend, sich ständig der Sonne auszusetzen. Ich bin blau und kann stehen, stehen und stehen und werde trotzdem nicht braun! …War ein Scherz… Aber mal echt, ich würde schon wieder gerne mal auf die Piste gehen… Oh, da kommt die Frau und holt mich ab, das ist fein! Auaaaa, was machen die denn da? Achso, die schrauben das komische rote Kennzeichen an… Uuups, hat sie mich abgewürgt? Aber sie scheint ganz nett zu sein! Ich helfe ihr auf die Sprünge! Na, siehste, geht doch!!! WOW, cooles Feeling!! Sie kann ja fahren und hat wirklich was drauf! Ich komme zu dem Entschluss, dass sie schon sehr zu mir passen würde! Ob sie auch so denkt? Oooh, ich beginne langsam zu schwitzen… „Huhuuuu, Du, Frau, gefalle ich Dir?“ Merkwürdig, ich kann Frau’s Gedanken hören: „He HONDI, hast Du zu mir gesprochen?“ „…äähh, ja, das habe ich. Kannst Du mich etwa verstehen? Wieso? Ich rede sonst immer nur mit Metall, Alu und normalem Blech. Du bist aber doch so ein Teil, was wir unter unseren Kreisen „Weichei“ nennen. Wieso kannst Du „autoisch‘‘ sprechen und verstehen?“ „Ach weißt Du HONDI, das ist wie bei uns Menschen. Man muss nur zuhören und verstehen! Ich habe Dich und Deine Gedanken verstanden. Mach Dir keine Sorgen. Du bist ein prima Kerl und Du gefällst mir! Du bist jung, dynamisch und hast noch nicht sehr viele Kilometer gelaufen. Du siehst chic aus und passt wohl in meine Geldbörse.“ „Wie jetzt? Willst Du mich wirklich haben? Du kennst mich doch gar nicht!“ „Stimmt. Darum nehme ich Dich ja auch nur zur Probe mit.“ „Heißt das, ich darf mir Hoffnung machen, dass ich bei Dir bleiben darf…schnief?“ „Ja HONDI, das heißt es. Wenn Du meinen Anforderungen entsprichst, darfst Du bei mir bleiben.“ So hatte die Frau damals gesprochen. Oh, hatte ich mich in sie seit dem ersten Date verliebt!!! Sie war so zärtlich, sportlich, energisch, geschickt und liebevoll!!! Ich mochte sie gleich und sie…??? Wir verbrachten 5 tolle und wirre Tage. Noch war nicht klar, ob wir ein Paar werden würden. Ich bekam immer nur am Rande mit, dass ich ‚eingetauscht‘ werden sollte, gegen den starken Typen. Man war sich wohl lediglich über den Preis nicht einig. So wartete ich. Ich wartete und hoffte. Meine sonst so niedlichen Scheinwerfer verzerrten sich zur Nacht oftmals traurig. Ich mochte die Frau, die mich gefahren hatte. Warum holte sie mich nicht? War ich nicht nett genug zu ihr? Ich habe mich doch so angestrengt! Ich ging wieder traurig schlafen und glaubte nicht mehr daran, dass ich diese nette Frau jemals wiedersehen würde, doch dann stand sie plötzlich vor mir: „He, HONDI. Kennst Du mich noch?“ Mir begann das Füllwasser aus der Scheibenwaschanlage zu laufen. „Chris, bist Du es wirklich? Ich dachte, Du kommst nie mehr!“ Chris hatte sich für mich entschieden und nahm Platz auf ihrem Sitz. Sie kraulte mich unter meinem Lenkrad, streichelte meine Armaturen und meinte zärtlich wispernd: „Jetzt gehörst Du mir, Kleiner!“ Wäre ich nicht von Natur aus blau gewesen, wäre ich vermutlich ganz „schamviolett“ geworden. Das verkniff ich mir jedoch. Sie zuppelte mir kraulend unter dem Lenkrad rum, streichelte mir über meine Armaturen und sprach zu mir. Wie könnte ich sie jemals im Stich lassen? Ich war damals 28.000 Kilometer jung. Ich träume heute noch von unseren Anfangszeiten… Heute, nach annähernd 12 Jahren wilder Ehe, blicke ich auf eine wilde Zeit zurück. Wie oft habe ich mit ihr am Abgrund gestanden? Ich meine das jetzt echt! Wir haben in den Alpen Wege erklommen, auf denen es keine Wendemöglichkeit mehr gab. Mir war schon ganz schwindelig, aber sie hat es immer wieder geschafft, mich auf einer ‚Bierdeckel‘ gleichenden Fläche umzudrehen, mir die Schönheiten der Natur zu zeigen, mich stark fühlen zu lassen und zu zeigen, dass sie mich wirklich lieb hat, dass ich HONDI bin. Dafür habe ich ihr gezeigt, dass ich für die zahlreichen Umzüge ihrer Ableger Platz bieten kann, welchen niemand hinter meiner smarten Fassade vermutet. Ich bin irgendwie sehr stolz auf mich! „Das kannst Du auch, mein treuer HONDI“! „Wie jetzt? Hast Du mich schon wieder verstanden?“ „Ja, das habe ich und werde es auch immer tun!“ Ich traue jetzt gerade mal wieder meinen Zylindern nicht! Sie versteht mich tatsächlich! Sie versorgt mich mit Öl und Benzin, wie eine Mutter ihr Baby mit Milch! Ich kann mir ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Ich habe jetzt in den vergangenen, fast 12 Jahren, für sie 305 Tausend Kilometer geleistet, also insgesamt 333.000 und sie wird einfach nicht müde! Dann werde ich es auch nicht!!! „Danke HONDI, das habe ich gehört! Ich werde wirklich nicht müde, meine Zeit mit Dir zu verbringen. Ich liebe Dich!!!“ Haaaach, ist das schöön. Ich war noch nie so verliebt! Psst, unter uns gesagt, ich glaube, sie war es auch noch nie so sehr, wie in mich, und ich bin HONDI… © Christiane Rühmann

Donnerstag, 10. April 2014

Der kleine Osterhase

So, mein Sohn, jetzt ist es bald soweit. Ostern steht vor der Tür und wir haben eine große Aufgabe. Wir werden viele Kinder glücklich machen, mit unseren Ostereiern. Du bist jetzt fast ein Jahr und nun darfst Du helfen, unsere bunten Ostereier zu verteilen. Muckel war unsicher, traute sich jedoch nicht, seinen dominanten Vater nach weiteren Details zu fragen. Er, Muckel, hatte seine Lebenszeit mit herumtollen und Spielen mit seinen Kameraden verbracht. Das, was seine Mum und sein Pa immer um dieselbe Jahreszeit gestalteten, war bisher an ihm vorüber gegangen. Er hatte registriert, dass sie unglaublich viele Hühnereier bemalten. Manche Eier waren ein wirkliches Wunderwerk. Muckel seufzte. Was sollte er wohl dazu beitragen, um den Eltern zu helfen? Er begab sich mit Papa und Mama in die Osterwerkstatt. Bislang hatte ihn das alles nicht interessiert, was sich in ihr befand, doch diesmal wurde sein Interesse geweckt. „Papa, was sind das alles für Stöcke mit den Borsten oben dran?“ „Das sind Pinsel, mein Junge“. „Pinsel? Wozu braucht man sie denn? Sie sind ja auch noch unterschiedlich dick. Was hat das auf sich?“ „Weißt Du Muckel, Ostern ist ein großes Fest. Dazu benötigen die Zweibeiner bunte Eier, die wir bemalen und ausliefern. Je bunter und kreativer ein Ei bemalt ist, desto lieber haben es die Menschenkinder. Sie werden in Gärten unter Blumen, Sträuchern und Bäumen versteckt, damit die Menschenkinder sie suchen sollen. Mit diesen unterschiedlich starken Borstenpinseln können wir die schönsten Dinge auf ein Ei malen. Willst Du es mal ausprobieren?“ Muckel war beeindruckt. Noch nie hatte er bemerkt, wie wichtig der Beruf seines Dad´s als Eiermaler war. Die Kunstwerke dann auch noch ausliefern zu dürfen, war wohl das Größte, was im Leben eines Hasen passieren konnte. Er müpfelte begeistert mit seiner Hasenschnute, nochmal und nochmal. „Du meinst, ich darf auch ein Ei bemalen? Ja denkst Du denn, dass ich das kann?“ „Sicher kannst Du, Du bist ja schließlich mein Sohn!“ Vater Hase lachte laut. Muckel begann, einen dünnen Pinsel in die vielfältigen Farben zu tauchen. Vorsichtig streifte er die überflüssige Farbe ab. Er begann, eine Kontur auf ein Ei zu malen. Mit hochrotem Kopf stellte er fest, dass sein erster Versuch gar nicht mal so schlecht war. Es machte ihm jetzt Spaß und so begann er, als die Konturen getrocknet waren, diese farbig auszumalen. Er war eifrig bei der Sache und seine kleine Hasenzunge glitt langsam über seine kleinen Hasenlippen hin und her. Sorgfältig mischte er die Farben, um einen natürlichen Effekt zu erhalten. Papa Hase beobachtete ihn genau bei seiner Tätigkeit und blinzelte ab und zu über seine Brille hinweg zu seinem tüchtigen Sohn. Er erkannte sehr bald, dass Muckel Talent hatte. „Zeigst Du mir Dein Ei, wenn Du fertig bist, Muckel?“ „Ja, Papa. Ich bin schon so weit. Komm schauen, ich bin ganz stolz!“ Papa Hase erhob sich von seinem Hocker und ging zu Muckels Arbeitsplatz. Er stieß einen Schrei aus, so laut, dass Muckel erschrak. „Muckel, das ist ja ein wahres Kunstwerk! Du bist ja richtig begabt! Damit wirst Du den Junior-Eier-Malwettbewerb gewinnen! Großartig!“ Von seinem Geschrei aufgeschreckt, kam Muckels Mama aus der Küche gestürmt: „Was ist denn hier für ein Lärm?“ „Schau mal, was mein Sohn hier für ein wunderbares Ei kreiert hat! Er ist ein wahrer Künstler!“ „Wow, das ist ja wirklich ein Kunstwerk! Aber wieso eigentlich DEIN Sohn, häh? Muckel ist MEIN Sohn! Das Kreative hat er von MIR!“ „Mama, Papa, hört auf zu streiten! Gefällt es Euch wirklich so sehr?“ Ja, das tat es. Überwältigt und stolz nahmen sich die Eltern bei den Händen und tanzten durch die Wohnung. Muckel verstand seine ausgeflippten Eltern nicht mehr so wirklich. „Könnte mir bitte mal jemand erklären…..“, begann er zu fragen, als seine Eltern ihm den Wert seines allein kreierten Ei´s erklärten. Muckels Ei wurde beim Eier-Mal-Wettbewerb ausgestellt – und gewann!! Warum, wurde ihm erst viel später bewusst. Er hatte ein Ei kreiert, an dessen Bild sich bereits viele Hasen vorher probiert hatten. Niemand war es gelungen, ein EI DES KOLUMBUS zu gestalten. Muckel hatte es geschafft! Er schuf Amerika mit winzig schmalen Strichen auf einem kleinen Hühnerei, Schiffe, die den Ozean überquerten und einen überglücklichen Kapitän, der die Arme zum Himmel streckte, als er den amerikanischen Boden betrat. Er hatte Koordinaten gezeichnet und eine Weltgeschichte dargestellt, die kaum jemand vor ihm auf ein Papier, geschweige denn, auf ein Hühnerei gezeichnet hatte. Es war das schönste Ei der Saison geworden. Mit dem Erlös aus dem Sieg dieses Malwettbewerbes, machte sich Muckel ein Jahr später selbstständig. Er eröffnete eine Künstler-Ei-Werkstatt und beschäftigte viele Junghasen. Sie konnten bei und von ihm lernen. Die Kreationen seiner Werkstatt sind mittlerweile auf der ganzen Welt berühmt und geschätzt. „Muckels Werkstatt“ stellt die schönsten und kreativsten Eier der Welt her. Wenn Du ein wunderschönes Ei zu Ostern findest, ist es sicherlich von ihm… © Christiane Rühmann (Kindergeschichte April 2014)

Montag, 31. März 2014

Die fliegende Katze

Nach dem Tod ihres Vaters erhielt Laura die Zusage von mir, sich ein Kätzchen auf dem Bauernhof aussuchen zu dürfen. Ihre ältere Schwester besaß bereits seit zwei Jahren einen eigenen Kater nur sie hatte kein eigenes Tier. Mit ihren 8 Jahren war sie von der Reife her durchaus in der Lage, sich um ein Tier kümmern zu können. Also fuhr ich mit Laura auf den nahe gelegenen Bauernhof, um ein niedliches Kätzchen auszusuchen und mit nach Hause zu nehmen. Es würde ihr wohl auch über den plötzlichen Verlust ihres Vaters hinweg helfen. Aus allen möglichen Schlupflöchern lugten kleine niedliche Fellnasen hervor. Schwarz-weiße, bunte, braun getigerte oder rot getigerte. Tollpatschig kletterten sie über wackelige Holzstapel, überschlugen sich dabei oder jagten sich gegenseitig unter und über landwirtschaftliche Maschinen. Der freundliche Landwirt wollte uns dabei behilflich sein, ein kleines Tigerkätzchen einzufangen, das Laura sich ausgesucht hatte. Er wartete einen günstigen Moment ab, von dem er glaubte, das kleine wuschelige Knäuel greifen zu können. Doch, das hatte er halt eben nur geglaubt. Blitzschnell war das kleine Tier auf seinen Samtpfötchen ihm wieder durch die Finger geschlüpft. Laura wollte ihm natürlich helfen, aber auch ihr gelang es nicht, das Kätzchen einzufangen. Geduld war also gefragt, und die hatte das Mädchen nicht. Nach einer halben Stunde Hetze und Treiberei, war es dem freundlichen Landwirt dann doch gelungen, eins der kleinen Streuner einzufangen. Allerdings war es nicht das Kätzchen, das Laura sich ausgeguckt hatte, aber mittlerweile war es ihr auch egal. Die kleine Tigerin hatte dem Mann bereits ordentlich zugesetzt. Blut rann über seine kräftigen Hände, die jedoch den kleinen wilden Körper sacht umschlossen und nicht mehr los ließen. Behutsam setzte er das Tier in den von Laura mitgebrachten Transportkäfig, schloss diesen zu und umwickelte seine blutende Hand mit einem Taschentuch. Er tat uns leid. „Tut es sehr weh?“ Laura war schon ein wenig besorgt. „Nein nein, es geht schon. Pass nur auf, dass sie mit Dir nicht dasselbe macht. Lass sie am besten erstmal einige Tage hinter Gittern, bevor Du sie rausholst. Das wird ihren unglaublichen Willen brechen.“ Laura durfte die Transportkiste, aus der es laut fauchte, selbst zum Auto tragen. Brav bedankte sie sich bei dem Landwirt, der ihr noch Glück wünschte. Das kleine Mädchen befolgte seinen Rat und öffnete die Türe des Käfigs nur, um ein Schälchen mit Futter und Wasser hinein zu stellen. Dabei randalierte und fauchte die kleine Stubentigerin so sehr, dass Laura begann, sich vor ihr zu fürchten und schnell das Törchen wieder verschloss. Langsam wurde sie traurig und glaubte nicht mehr daran, dass „Lady“, wie sie die Katze inzwischen nannte, jemals zahm werden würde. „Du musst nur Geduld haben“, erklärte ich ihr und liess meine Tochter bewusst die Käfigarbeit verrichten, weil es ja ihr Tier sein und Laura für Lady Bezugsperson werden sollte. Am viertenTag, als Laura wieder Futter auffüllen wollte, verhielt sich das Tier total ruhig. Sie streckte vorsichtig Lady ihre kleine Hand entgegen, und siehe da, Lady ließ sich streicheln. Nun war es also so weit. Überglücklich holte Laura Lady aus ihrem Gefängnis, nahm sie sogleich mit in ihr Zimmer und natürlich in ihr Bett. Schon begann die kleine Tigerin, sich an das Mädchen anzuschmiegen, ja sogar zu schnurren. Fortan sah man beide nur noch im Doppelpack. Katze folgte Kind und Kind folgte Katze. In Wirklichkeit kam Lady mir überhaupt nicht wie eine Katze vor. Ich hatte das Gefühl, man konnte sich mit ihr unterhalten. Sie antwortete auf jedes Wort mit einem freundlichen „Miau“, wenn man sie direkt ansprach und sie dabei ansah. Es war schön, Laura wieder einigermaßen glücklich zu sehen. Wenn sie nicht in der Schule war, waren die beiden unzertrennlich, auch nachts. Lady kroch unter Lauras Bettdecke und fühlte sich sichtlich wohl. Nach drei Jahren hatten wir beschlossen, uns eine kleinere Wohnung zu nehmen, weil die große Vier-Raum-Wohnung zu teuer wurde, und ich den Zickenalarm meiner Töchter nicht mehr ertragen konnte. Ich hatte beschlossen, die Ältere meiner Töchter aus dem Nest zu schubsen, und ihr eine eigene Wohnung anzumieten. Aus gesundheitlichen Gründen war ich nicht mehr in der Lage, den häufigen Eskallationen der Mädchenkriege gewachsen zu sein. Ich brauchte meine Kräfte für die laufenden Chemotherapien, Rehas und die weiteren Operationen. So zogen wir also alle um. Linda bezog ihr neues Nest nur 800 m von Laura und mir entfernt unter dem Dach. Die Jüngere und ich zogen ebenfalls unters Dach in eine zweieinhalb Zimmer-Wohnung. Auch die Katzen mussten sich an ihr jeweiliges neues zu Hause gewöhnen. Lauras großes Zimmer hat zwei riesige Gaubenfenster. Es war Sommer und so standen in unserer Dachwohnung sämtliche Fenster Tag und Nacht offen. Lady genoss das sehr. Sie erfreute sich an dem Anblick der an ihr in Augenhöhe vorbei fliegenden Vögel. Wachsam verfolgte sie mit ihren großen kugelrunden Augen den streunenden Kater in der benachbarten parkähnlichen Anlage, der sich auf Beutezug befand. Ich sah jedesmal, wenn ich während meiner Hausarbeit einen Blick in Lauras Zimmer warf, auf Ladys Rücken. Sie konnte stundenlang auf der Fensterbank sitzen. Nie hatte sie jemals versucht, sich übers Dach zu schleichen. Plötzlich kam Wind auf. Gewitter war angesagt und ich begann, zunächst im Bad das Fenster zu schließen. Ich begab mich weiter in Lauras Zimmer und musste hilflos mit ansehen, wie sich die Fensterflügel schnell zu schließen begannen - zu schnell! Der Durchzug - au Backe! Das durfte jetzt doch nicht wahr sein: Laaaiiidyyyy….. !! Und weg war sie !! Mir wurde heiß und kalt. Ich lief zum Fenster und schaute übers Dach, konnte das Kätzchen aber nirgends entdecken. Ich rief ihren Namen, in der Hoffnung, sie würde antworten um zu sagen: Ich bin hier, mir geht es gut, es ist nichts passiert. Schockiert lief ich die Treppe bis ins Erdgeschoss, rannte ums Haus und rief: “Lady, Lady….“ Nichts!!! Was würde Laura wohl sagen, wenn sie aus der Schule kam, und ich ihr beichten musste? Ich fühlte mich recht unwohl bei dem Gedanken daran. Später, als die Kleine aus der Schule gekommen war, und ich ihr die missliche Geschichte erzählte, brach sie in Tränen aus. Sie machte mir den Vorwurf, nicht genügend aufgepasst zu haben und Schuld daran zu sein, wenn Lady jetzt tot sei. Bis es fast dunkel war, hielt sie Ausschau im Garten und Umgebung, aber es gab kein Lebenszeichen. Laura hasste mich! Zumindest von jetzt an. Sie mied mich und sprach nicht mehr mit mir. Sie war sehr traurig und verstand das Leben nicht mehr. Mir brach das Herz, das alles zu beobachten und ihre Ignoranz zu spüren. Dann plötzlich nach drei Tagen, es war immer noch sehr heißes Wetter, hörte Laura in ihrem Zimmer ein zartes Miauen und rief voller Freude: „Mama, ich habe Lady gehört! Sie lebt!“ Aber wo kam das Miauen her? Wir stellten uns beide an Lauras Zimmerfenster und riefen, und immer bekamen wir Antwort, konnten allerdings nicht feststellen, von wo die Hilferufe stammten. Eine Nachbarin aus dem Nebenhaus, ebenfalls unter dem Dach lebend, hatte unsere Unternehmungen wahr genommen. Seitdem hielt sie ebenfalls Ausschau. Plötzlich bewegte sich etwas in der hohen Fichte, die nahe der Hauswand stand. „Da ist sie!“, rief Laura. „Lady sitzt in dem Baum!“ Tatsächlich! Hilflos und ängstlich saß ihr kleiner Körper auf einem Zweig, scheinbar unfähig, sich zu bewegen. Die hilfsbereite Nachbarin fuchtelte mit einem langen Besen in Richtung Baum, in der Hoffnung, die Katze würde den Weg über den Stiel zu ihr finden, aber das gefiel Lady scheinbar absolut nicht. Laura lief nach unten, zurückrufend: „Ich klettere auf den Baum und hole sie!“ Nach etwa einer halben Stunde hatte meine Tochter es geschafft, ihren kleinen Liebling aus dem Gezweig zu locken. Stolz und überglücklich kam sie mit ihrer kleinen Fellfreundin auf dem Arm wieder nach oben. Sofort umsorgte sie das Samtpfötchen mit Futter und Katzenmilch. Am Abend schlief Laura überglücklich mit Lady im Arm ein. Seither haben wir die Fenster mit Sofakissen vor dem ungewollten Zuschlagen geschützt. Als Laura unserem Vermieter diese unglaubliche Geschichte erzählte, meinte dieser nur: „Also bin ich doch nicht verrückt!! ich habe tatsächlich eine Katze fliegen sehen! Nur, mir glaubt ja keiner!“ © Christiane Rühmann

Dienstag, 18. März 2014

Die Predigerin - die Frau, die Leben lehren wollte

Sie war bekannt, wurde umlagert, gefeiert und allgemein sehr geschätzt. Ich hielt nichts von ihrer einfältigen Moralität. Ich wünschte, sie sei nicht dort gewesen, nicht so gegenwärtig. Sie inspirierte mich, aber sie irritierte mich – vorrübergehend nur! Ich fand wieder zu mir selbst. Merkte ich doch, dass sie in relevanten Dingen recht unsicher war. Ihre Augen schauten stets in verschiedene Richtungen. Merkwürdig, ich habe Resistenz und Kompetenz anders kennen gelernt! Was war mit ihr? Diese Frau machte mich neugierig. Auch schien sie verbalen Konfrontationen aus dem Weg zu gehen. Sie wirkte unsicher. Ich stellte Fragen, die sie verunsicherten. Antworten wurden umschrieben. Das ist etwas, was ich absolut nicht akzeptieren kann! Ich brauche klare Konfrontation! Ich suchte also ihren persönlichen Kontakt. Nach ihrer Veranstaltung gab ich vor, mich für ihr Dasein, ihr Leben und ihre Vision zu interessieren. Ich stand ihr jetzt gegenüber und schaute ihr tief in die Augen – nur vorübergehend, denn sie wich meinen Blicken aus. Als ich sie gezielt auf ihre Verhaltensweise ansprach, errötete sie deutlich und versuchte, meinen persönlichen Fragen auszuweichen. „Frau K…., warum weichen Sie mir aus“, wollte ich wissen. Sie drehte sich um, schien recht irritiert und verließ das Foyer, in dem sie ihr Buch signieren und sich den Fragen und Antworten der Interessierten stellen wollte und sollte. Das schaffte sie nicht mehr. Sie flüchtete. Warum? Unsicherheit? Unehrlichkeit? Unflexibilität? Betrug? Scharlanatanität? Konfrontation mit einer/einem Gleichgesinnten? Was war das denn für eine erbärmliche Vorstellung, bitte? Große Worte und nichts dahinter? Was hatte sie so verstört, verunsichert oder vertrieben? War ich es etwa, der sie durch meine Fragen und Konfrontationen so verunsichert hatte? Bin ich es gewesen, dem sie nicht mehr begegnen wollte, weil meine fragenden Kompromissionen für sie zu viel waren? Sie war offensichtlich sehr verstört und befand sich in einer stressartigen Situation, der sie nicht gewachsen war. Meine verbale Stärke hatte gesiegt! Aber wie sah es mit der Moral aus? Wie stand es um ihre Seele? Kareen K. war verschwunden! Sie verschwand aus meinem Leben, meiner virtuellen und visuellen Welt. Sie hat mich im wahrsten Sinne des Wortes ‚blockiert‘. Schade, ich hätte ihr gerne etwas übermittelt! Nämlich: „Jeder ist für sich selbst verantwortlich. Jeder hat sein Schicksal in der Hand. Jeder hat unter seiner Unfähigkeit zu leiden. Jeder ist jedoch fähig…! © Christiane Rühmann

Samstag, 15. März 2014

DANKSAGUNG

Burscheid im März 2014 Liebe Familie, Freunde, Bekannte, die Ihr mir die Feier zu meinem 60. Geburtstag durch Eure Anwesenheit bereichert habt, ich möchte mich recht herzlich bei Euch bedanken. Ohne Euch wäre dieses Event nicht das gewesen, was es für mich ist – nämlich „unvergeßlich“. Lieben Dank auch für die Zuwendungen, dank derer ich mir den einen oder anderen Wunsch erfüllen kann. Besonders möchte ich die Mitwirkenden des hervorragenden Programms, das wir erleben durften, hervorheben. Eure Beiträge in musikalischer und verbaler Form waren der Hit. Dank an die Fotografen für die zahlreichen Impressionen, die Ihr im Bild eingefangen habt. Eure Bilder werden ein -für mich- ganz besonderes Album füllen. Ebenfalls bedanke ich mich bei allen, die dabei geholfen haben, für das leibliche Wohl meiner Gäste zu sorgen. Kurz und knapp : D A N K E ! Eure Chris

Donnerstag, 6. März 2014

Stern


Ich beobachte an klarem Himmel einen Stern.
Ich beobachte ihn sehr gern.

Sein Flimmern macht mir bewusst,
was ich schon Ewigkeiten gewusst,
dass unendlich fern er ist,
doch diesen Blick hätte ich vermisst,
wenn ich nicht zu ihm aufgesehen.
Das kann uns jeden Tag geschehen,
wenn wir nur öffnen unsere Sinne,
aufsaugen, halten inne…

Das Wunder unserer Welt
unsere Sinne erhellt,
wenn wir nur trauen unseren Sinnen -
sie verinnerlichen – ganz innen.
Sinne sind Schubladen,
die wir können beladen,
mit schönen oder schlechten Sachen,
doch um Glückseligkeit zu entfachen,
benötigen sie den rechten Sinn:
Wo leg´ ich das Schlechte hin?

Ganz einfach: In das unterste Fach,
das niemand gerne öffnen mag,
weil dabei der Rücken schmerzt,
niemand da ist, der mit einem scherzt,
doch in der Lade – ganz oben,
wo die schönen Dinge wohnen,
zu denen man sich nicht bücken muss,
ohne Schmerz oder Verdruss,
lass Deine Vielfalt sich enthüllen,
- musst nur diese Lade füllen.

Lass Deine schöne Lade oben auf,
gib Deinem Leben frohen Lauf,
genieß den Stern, der für Dich zwinkert,
er ewig für Dich blinkert…

© Christiane Rühmann ( Februar 2014)

Sonntag, 2. März 2014

Nicht Können beim Müssen



Wie´s süße Leben manchmal ist,
man zu viel Schokolade isst.
Sowie Frau Sybille Sorgenicht.

Beim Verzehr derselben merkt sie nicht,
was sich da im Körper tat.
Die braunen geschmolzenen Massen,
sie heute nicht zur Toilette lassen.
Nun ja, denkt sie, sicher nicht von Dauer,
bleibt allerdings auf Toiletten-Lauer,
in der Hoffnung, dass sie endlich mal muss,
doch erkennt sie mit Verdruss,
dass das nicht so einfach flitschte,
wie sie es sich nach Tagen wünschte.
Praller wurde ihr Oberbauch,
der untere übrigens langsam auch,
trank nach drei Tagen ein Likörchen,
um zu öffnen ihres Hintern Törchen,
stellt dabei jedoch mit Entsetzen fest,
dass sie auch das nicht …. machen lässt.
Langsam, sie ließ sich fast schon kullern
und ihr Körper sie nicht mehr als ‚strullern‘,
war beim Stuhlgang einfach nicht mehr drin!
Als sie fast schon resignierte,
auf den Bauchumfang nun stierte,
kam ihr der Gedanke an eine Apotheke,
zu der sie sich schleunigst bewegte,
kaufte irgendwas mit mmm….lax
und begab sich eilends auf den Weg nach Hause,
doch der wurde ihr zum Grause,
weil die Gute sofort von der erlösenden Pille
sofort schon eine nahm,
als sie aus der Apotheke kam.
Deshalb, weil die Medikamente heute so gut,
fasst sie total neuen Mut.
Doch bevor sie erreicht das begehrte Klo,
…mmm…lax sofort an zu wirken beginnt,
was ihr das Völlegefühl nimmt,
hier, jetzt und an diesem Ort!!!
Dieses Medikament hielt wirklich Wort.

Entsetzt nimmt dies Sybille wahr,
dass sie gerade dabei war,
ihren Darm just zu entleeren,
was zwar durchaus ihr Begehren,
ihr Körper nun entsetzlich schwitzt.
nur doch nicht jetzt,
bevor sie sich auf der Brille sitzt!!!

Sybille konnte sich nicht länger wehren,
verlässt nach vollbrachtem Begehren
ihr Fahrzeug.

Das war‘ Ritter‘ – um nicht zu sagen ‚bitter‘…
Beschmutzt und doch erleichtert,
ihre Wäsche ‚voll‘  bereichert,
erreicht sie ihr heiß ersehntes Klo
und ist jetzt endlich froh!
Denn, auch wenn scheinbar falsch gelaufen,
wird sie sich wieder Schokolade kaufen,
jedoch nimmt sie sich – mit Bedacht -
vor deren Verzehr jetzt sehr in Acht…
© Christiane Rühmann (Jan. 2014)

Mittwoch, 26. Februar 2014

Atze bei Facebook

„So, dat will ich jetzt auch“, denkt Atze und legt sich ein Profil bei Facebook an in der Hoffnung, dass er sich mit Gleichgesinnten austauschen kann.

Als er es nach Stunden endlich geschafft hatte, sich zu profilieren, bekam er auch gleich schon einige Freundschaftsanfragen von Vereinsmitgliedern seines geliebten Fußballvereins aus dem hohen Norden. Er konnte nun mal nichts dagegen tun, aber sein Herz schlug für den HSV – und das als Ruhrpottler! Nicht nur von ihnen, sondern auch andere warben um seine Freundschaft. Jeder von ihnen ‚teilte‘  selbstverständlich seine Vereinszugehörigkeit mit, postete Fußballwappen, Trikots oder Erfolge seiner Mannschaft, zu der er sich hingezogen fühlte.

Warum nicht, dachte Atze und bunkerte einen nach dem anderen in seiner Freundschaftsliste.
Noch ahnte er nicht, was er sich damit antat.

Es war Freitag, und ein neues Bundesliga-Wochenende begann. Atze war gespannt auf die Spielergebnisse und die Kommentare seiner vermeintlichen „Freunde“. Er hatte sich ein kleines Bierken geöffnet und saß gespannt vor seinem Computer. 

„Wat is dat denn für´n Spasti? Will der mich verdummpiepeln? Da sendet der Vollpfosten mir doch tatsächlich so´nen Smily, bloß weil HSV gerade ma en Tor eingesteckt hat? Na warte…“

Atze spürte, wie ihm das Blut in den Kopf schoss und seine Halsschlagadern zu schwellen begannen. Er begann in die Tasten zu hauen und bekam währenddessen einen neuen Post:
„Na Atze, wärsse ma bei unseren Blau-weissen… .“ 

Höhnisch folgte noch ein „Glück auf“!!! Das war zu viel.

Ein kreisrundes Emblem mit einem weissen „S“ auf blauem Hintergrund und einer „04“ darunter, tat sich vor seinen Augen in einer PN auf. „Oleee oleeeoleee oleee, wir sind die Champions oleeee….“

‚Boah, sach ma, wat geht denn jetz ab? ‚`denkt Atze und will gerade was texten, als ihm ein Fan von den Rot-blau-weißen aus dem tiefen Süden, eine Message sendet: „Toooor in BAYERN!!!“ …“wir sind die Champions, oleeeee!“

Gerade will er wieder loslegen, da kommt ein neuer Report von einem gelb-schwarzen Fan: „BVB olee oleee oleee oleeeee……“

‚Oh nee, gez auch noch von de grün-schwarzen, dat halt ich ja nich aus…‘

Das hatte sich Atze anders vorgestellt. Da war ja nur Intrige und Missgunst, Hetzerei und Frötzelei! Nää, dat wollte er nicht mehr und wollte sich ganz diskret aus der globalen Fangemeinde von Facebook zurückziehen.
Er begann, verschiedene Freundschaften zu löschen, weil er deren Stress nicht mehr gewachsen war. So schnell konnte ja kein Mensch tippen,  wie er auf alle Nachrichten antworten sollte. Das war ja schon extremer Stress! Dat muss ein Atze nich haben!

Er löschte und löschte und löschte. Nur sein Account blieb bestehen. Woher sollte Atze auch wissen, dass er auch diesen löschen musste? Jemand vonne Kneipe hatte es ihm erzählt. Atze setzte sich in der Nacht noch an seinen Rechner und rief sein Profil auf. Er suchte vergeblich nach einem „LÖSCHEN“-Button, oder „Profil entfernen“. Stattdessen hatte er weitere Freundschaftsanfragen, so etwa 25, von anderen Fußballnarren, blau-weiss, gelb-schwarz, schwarz-grün, rot-weiss, weiss-rot usw. .

Atze beschloss, fb einfach nicht mehr aufzurufen, stattdessen inne Kneipe umme Ecke sein Bierken zu trinken, wenn sein Verein spielte, ganz leise „Juhuuuuuu“  zu schreien, wenn der HSV mal ein Tor schoss und war doch zu neugierig. Nach Ende der Saison wollte er nochmal nachschauen, was denn in der Zwischenzeit so alles ‚abgegangen‘ war. Er staunte nicht schlecht, dass er mittlerweile 1876 Nachrichten hatte. Neugierig überflog er sie alle und entdeckte eine von „Mirko Slomka“. 

Wirklich!!! Mirko Slomka hatte ihm geschrieben: „ Hee, Du treulose Tomate! Hättest Du mal bei fb mehr für uns gevotet, wären wir Meister geworden!!!“

 Das Ganze natürlich nur mit einer negativen Fraze.
‚Wie jetzt‘, denkt Atze ,‘ dat allet kann facebook?‘

Er schaute verstohlen um sich und aktivierte alles, was ihm auf den Bildschirm kam. Mit gefangen – mit gehangen, dachte er und nahm ab sofort die tückischen Nebensächlichkeiten der Plattform in Kauf. Hauptsache, er verpasste keine PN´s mehr.

Offenbar war er der einzige HSV-ler im Ruhrpott und die Nachricht ‚Slomkas‘ ein Fake……????

Atze verbringt seither jede freie Minute vor seinem Rechner und bei Facebook.

© Christiane Rühmann (Februar 2014)

Sonntag, 9. Februar 2014

Lustiger Irrtum



Als Weihnachtsgeschenk bekamen die Geschäftsleute von ihren bereits erwachsenen Kindern Karten für ein Musical geschenkt. Das Ehepaar freute sich schon jetzt sehr auf dieses Event.

Dieses Musical wurde seit dem Start als so glorreich durch die Medien angepriesen, das es daher bereits Monate zuvor ausverkauft war, und somit keine Chance mehr bestand, für ebenfalls interessierte Freunde, sich an diesem Abend dem Ehepaar anzuschliessen.

Als der Konzertabend nahte, richtete sich das Ehepaar auf einen wunderbaren Abend ein. Es plante vorher ein Candlelight-Dinner und hatte hierzu in der Grossstadt in einem Nobelrestaurant  einen Tisch reserviert. Es sollte ein alles übertreffender, unvergesslicher Abend werden. Und so kam es auch.......

Die Eheleute warfen sich in Robe und starteten rechtzeitig, um relaxt den Abend geniessen zu können, ohne die aus dem Alltag bekannte, zeitweise Hetze. Sie wurden von auffallend elegant gekleidetem Personal empfangen, zu ihrer Niesche begleitet und von vorne bis hinten betüddelt. Dass sie selbst das Essbesteck halten und zum Mund führen mussten, war alles. Der prunkvoll hergerichtete Tisch mit seinen liebevollen Accessoires, hinterliess grossen Eindruck bei der erfahrenen Geschäftsfrau, die selbst auch in ihrem Bekanntenkreis dafür bekannt war, sich als hervorragende Gastgeberin immer etwas Neues einfallen zu lassen und durch ihre gestalterischen Ideen stets den positivsten Eindruck hinterliess.

Auch die Speisen verdienten ausgesprochenes Lob, mehr ging einfach nicht....

Gut gelaunt und frohen Mutes liessen sie sich von einem Taxi zur Musicalhalle fahren. Der Herr beteuerte, dass er ohne Platzanweiser die reservierten Plätze finden würde, schliesslich sei dies ja nicht ihr erster Konzertbesuch. Der Eintrittsabschnitt wurde also von den Platzordnern abgetrennt. Nun dann - auf gings.

Sie verglichen die Zahlen auf den Karten, Block, Sitzreihe und Platz. Als sie ihre Sitzplätze erreichten, waren diese bereits besetzt. Wie konnte das sein...? Sie forderten die Besetzer auf, sich einen anderen Platz zu suchen, dies seien ihre Stühle, die man bereits lange zuvor reserviert habe. Leider wollten diese das nicht einsehen und meinten, ebenfalls reserviert zu haben. Daher verglichen sie mit den fremden Leuten ihre Reservierungsnachweise und stellten fest, dass .... es darf doch nicht wahr sein, .....ihr Termin bereits GESTERN war! Unglaublich, alles stimmte überein - nur das Datum nicht. Mensch, war das peinlich!

Sie fühlten sich von weiterem Publikum, das die kleine Auseinandersetzung mitbekommen hatte, sowie von den Platzhaltern ausgelacht, drehten sich um und verliessen ein wenig verärgert, eiligst den Showroom.

Draussen vor der Halle mussten sie sich erstmal erholen, bis sie dann allerdings über ihr eigenes Missgeschick so fürchterlich lachen mussten, dass sie beschlossen, wo sie doch bereits schon einmal hier waren, noch das Nachtleben in der Stadt zu geniessen.

So wurde es also doch noch ein unvergesslicher Abend......

Es wird heute noch darüber gesprochen - und natürlich gelästert. Es ist eben so: Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.....

(c) Christiane Rühmann

Donnerstag, 6. Februar 2014

Nein



Nein, ich bin nicht einsam,
ich habe Freunde.

Nein, ich bin nicht ängstlich,
ich habe Vertrauen.

Nein, ich bin nicht arm,
ich habe jeden Tag zu essen.

Nein, ich bin nicht traurig,
jeder neue Tag ist lustig.

Nein, ich fühle mich nicht schlecht,
ich lass es mir gut gehen.

Nein, ich muss nicht immer „ja“ sagen,
ich bin schon groß.

Nein, ich füge mich nicht Allem,
ich habe das Recht dazu.

Nein, ich habe keinen Grund zur Klage,
vermutlich, weil ich es wage,
auszubrechen aus der Norm!
genau darum bleib e ich in Form!

© Christiane Rühmann (Feb. 2014)

Mittwoch, 29. Januar 2014

Montag, 27. Januar 2014

Einladung zu meinem 60. Geburtstag

Einladung zu meinem 60. Geburtstag

Ich lade zu meinem 60. Geburtstag ein. Dies ist keine öffentliche  facebook-Veranstaltung, sondern nur eine Einladung für Freunde der Literatur und Freunden, die gerne Spaß haben und sich an Gitarren- und Saxophon-Tönen erfreuen können.
Wenn Ihr zu diesen gehört und beabsichtigt, dabei zu sein, dann seid Ihr herzlich willkommen.

Gefeiert wird zum 'Brunch' um 11.00 Uhr in der "Villa Rhodius", Bergische Landstr. 82 A, 51375 Leverkusen-Schlebusch am Samstag, den 15. Februar 2014.

Wenn Ihr teilnehmen möchtet, gebt mir bitte bis zum 31.01.2014 Eure Teilnahme bekannt unter 0151-149 62 457, 02174-625 19 oder via email unter christiane-ruehmann@t-online.de.






Ich freue mich auf Euch !!!

Laßt die Sonne stets auf und nicht untergehen, genießt die schönen Momente im Leben, erfreut Euch an schönen Dingen und bemerkt, welche "schönen Spuren'" das Lebensmeer in Eurem Leben hinterlässt !!!

Donnerstag, 2. Januar 2014

Dachbodengestöber




Eine große Trinkwassertalsperre sollte es werden, die den gesamten Kreis mit ihrem reinen Wasser versorgen sollte.
Bereits vor Jahren wurde dies beschlossen, doch ließen sich die dort seit  Jahrzehnten oder sogar seit Jahrhunderten mit ihren generationsübergreifend ansässigen Bewohnern, die hier zum größten Teil ihre Landwirtschafts- und Obstbaubetriebe bewirtschafteten, nicht so ganz kampflos aus ihrer gewohnten Umgebung vertreiben. Manche allerdings nahmen widerstandslos und bereitwillig die ihnen wegen der Umsiedlung angebotene Abfindung entgegen, bauten sich anderswo eine neue Existenz auf. Überwiegend waren es jüngere Familien, die diesen Schritt wählten. Die älteren Siedler hingegen, weigerten sich kämpferisch, ihren gewohnten Lebensraum zu verlassen.
Auf einer Bürgerversammlung im Dorfkrug, der sich dort noch befand, wo später die Sperrmauer gebaut werden sollte, traf man sich, um nochmals mit den Abgeordneten des Landes über die Umsiedlung zu verhandeln. Protestantisch nahmen die hartnäckigen Ortsbewohner an dieser Zusammenkunft teil und erreichten zu guter Letzt, dass die Regierung die angebotene Abfindung pro Familie noch um einige tausend Mark erhöhte. Insgeheim hatten, selbst von den alt eingesessenen Anwohnern, manche genau darauf spekuliert. Was sollte man denn schließlich auch noch hier? Die Jugend hatte es längst verschlagen. Nicht einmal mehr einen Doktor gab es in ihrem Dorf. Also, warum nicht auch weg von hier? Das angebotene Geld würde für den Lebensabend sicher ausreichen.
Nach sich über Jahre hinweg ziehenden Verhandlungen, wurde das Land nun endlich Sieger – oder hatten doch die Anwohner gesiegt?
Egal. In den kommenden Monaten hatten die Möbelspediteure aus den näher gelegenen Städten einiges zu tun. Transport für Transport wurden Hab und Gut in ein neues Leben befördert. Am unteren Ende des Tales hatte man derweil damit begonnen, Wälder zu roden und vereinzelte Gehöfte dem Erdboden gleich zu machen. Andere Gebiete wollte man nur fluten.
Aus unbeteiligter Sicht betrachtet, sah man hier den Beginn eines neuen Zeitalters.
Bevor Schmitzens ihr geliebtes Gehöft verließen, verkauften sie noch durchaus brauchbare Wertegenstände, wie z.B. den alten Traktor, den Mähdrescher oder den Gülletank-Anhänger. Von diesen Erlösen wollten sie sich neue Möbel leisten. Sie wollten ihren Lebensabend genießen, das hatten sie sich vorgenommen. Den Kindern und Enkeln war das nur recht, sie liebten ihre Eltern und Großeltern, begrüßten, dass sie sich endlich der Neuzeit beugten.
Katja, Schmitzens Enkelin, hatte Kunst studiert und arbeitete zur Zeit bei einem Restaurateur. Nebenher betrieb sie mit ihrer besten Freundin Rike einen kleinen Trödelladen in der nächsten Kleinstadt, der recht gut florierte. Nun kam ihnen der Gedanke, sich vor der Flutung, in der „Geisterstadt“  ganz ungezwungen auf den Dachböden der noch verbliebenen Häuser umzuschauen, um nach Raritäten zu suchen.
Um nicht als Plünderer da zu stehen, holten sie sich von Schmitzens und den übrigen Ex-Bewohnern die Erlaubnis hierzu ein. Alle kannten Katja – schließlich war sie ebenfalls hier aufgewachsen und jeder mochte das aufgeschlossene lustige Mädchen, mit seinen Sommersprossen und geflochtenen Haaren, das zu einer stattlichen Frau geworden war.
Daher gab es keinen Grund, ihrem Begehren nicht zuzustimmen, etwa zu untersagen, sich in den alten Gemäuern umzuschauen. Hier gab es ja eh nur noch alten Krempel, meinten sie.
Katja und Rike sahen das anders. Sie hatten sogar eine Idee, die sie sich aber nochmal genauer durch den Kopf gehen lassen wollten.
Am Wochenende hatten die beiden verabredet, sich in Katjas Jugenddorf umzuschauen. Sie fuhren gemeinsam mit dem Pick-up des Restaurators am frühen Morgen los. Es war schon etwas gespenstisch, alles hier so verlassen und ohne Leben vorzufinden, aber es hatte auch einen Hauch von Abenteuer. Sie betraten das Haus der Schmitzens. Es befanden sich kaum noch Möbel hier. Die meisten waren auf dem Sperrmüll gelandet oder waren mit umgezogen worden. Nur noch wenige Stücke, die als alt und wertlos galten, konnte man vereinzelt in den ansonsten leeren Räumen finden.
„Schau mal hier, die alte Kommode, ist sie nicht wunderschön? Die muss ja schon mindestens hundertfünfzig  Jahre alt sein. Mal schauen, ob die Schubladen leer sind.“ Rike öffnete eine Lade nach der anderen. Sie waren inhaltslos. Katja machte sich auf den Weg, über knarrende Dielen, zur Dachbodentreppe, um diese nach oben zu steigen. Vorsichtig öffnete sie die Luke, und blinzelte durch den schmalen Spalt auf den staubigen Dachboden. Als Kind war sie oft hier oben gewesen, hatte gespielt, mit ihren Puppen, oder hatte sich verkleidet mit den alten Kleidern, die sie in der Truhe der Großmutter gefunden hatte. Sie schulterte den Lukendeckel und öffnete ihn ganz.
„Rike, komm mal schnell!“
„Wo bist Du?“
„Hier oben, auf dem Dachboden.“
Rike stapfte nun ebenfalls die Stufen empor. Sie kannte solche Dachböden nicht, war in der Stadt aufgewachsen und kannte nur Kellerverschläge.
„Wow“, staunte sie: „Ist das toll hier“.
Sie öffneten die verstaubten Dachfenster und entfernten die dunklen Gardinen vor den Gaubenfenstern, schlugen die Fensterflügel auf und atmeten zunächst einmal gründlich durch.
„Schau Dir mal die Aussicht an, Rike. Von hier oben habe ich oft Papierschwalben fliegen lassen oder mit Kirschkernen gespuckt. Wenn ich traurig war, habe ich mich hier auch heimlich versteckt und geweint. Irgendwo muss hier doch die alte Truhe stehen, in die Oma alles alte Krams gepackt hat.“
Sie schauten sich um. Da stand sie ja. Puuhh, war die verstaubt. Behutsam öffneten sie gemeinsam den gewölbten Deckel, der mit unglaublich schönen Scharnieren verziert war. „Katja, allein die Truhe ist ein Schätzchen!“
Rike war begeistert. Ihr Inhalt sollte beide Frauen noch mehr begeistern.
Obenauf befanden sich wunderschöne alte Rüschenblusen. Hah, da war ja das alte Schnürkorsett, in dem Tanjas Urgroßmutter bereits gesteckt hatte. Hierüber gab es sogar ein Foto, schwarz-weiß und mit vernebelten Rändern. Unter weiteren Kleidungsstücken befand sich ein mit rotem Seidenband geschnürtes Päckchen.
„Schau mal, das sieht aus, wie Briefe.“
Tanja öffnete die Schleife und einen der Umschläge.
„Liebesbriefe……!“
Sie lächelte, als sie die Zeilen überflog.
„Die sind von meinem Großvater – aus dem Krieg, an meine Oma. Wie süüüüüsss…, sie hat sie alle aufbewahrt.“
Die jungen Frauen stöberten weiter und entdeckten ein Schätzchen nach dem anderen. Je mehr sie fanden, umso entschlossener waren sie, ihre gemeinsame Idee umzusetzen. Ja, das wollten sie tun.
Allein in diesem Haus gab es noch Etliches zu entdecken, wie mochte es wohl in den anderen Häusern des zukünftigen ‚Atlantis‘ aussehen? Alles an einem Tag zu besichtigen, schafften sie sowieso nicht. Das würde ein längeres Unternehmen werden, aber auch ein spannendes und hoffentlich erfolgreiches.
Am Abend fuhren sie mit einem bereits vollgeladenen Transporter zurück in die Stadt. Das mitgebrachte Gerümpel luden sie in der alten Bücherei ab. Diese war ins Rathaus umgezogen. Sie brauchten für die Räumlichkeiten vorübergehend noch nicht einmal Miete zu zahlen.
In den kommenden Wochen arbeiteten beide von morgens bis abends an der Umsetzung ihrer Idee. Nur wenige Freunde waren eingeweiht und informiert, was ihre Planung anbelangte. Tanjas Chef, der Restaurateur,  unterstützte sie ebenfalls, so gut er konnte. Nun wurde es langsam Zeit, sich um die Briefe zu kümmern. Briefe?
„Tanja, hast Du die Einladungen schon gedruckt? Wir müssen sie allmählich verschicken.“
 „Ja, sie sind fertig und müssen nur noch mit den Anschriften versehen werden“. 
Die Anschriften aller ehemaligen „Geisterdorf-Bewohner“, hatten sie mit Hilfe des Einwohnermeldeamtes oder Verwandter und Bekannter in Erfahrung gebracht. Sie sollten alle nochmal wieder, so wie früher im alten Dorfkrug, zusammen finden und einen Ort haben, an dem sich ihre Erinnerungen geballt aufhielten und gegenwärtig waren.
Tanja und Rike hatten aus den alten Bücherei-Räumen ein Museum gemacht -  ein Heimatmuseum.  
Es war wunderschön geworden. Mit viel Sachkenntnis und Liebe zum Detail platzierten sie alle Überbleibsel in den vier ihnen zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten. Den Segen des Bürgermeisters und der Gemeindeverwaltung hatten sie. Diese waren sogar von der Idee begeistert.
Es gab einen Raum, in dem landwirtschaftliche Hilfsgüter zu finden waren, wie etwa Dreschflegel, eine Rüben- und Runkel-Schnipsel-Maschine, Sensen, Sicheln, Holz-Schubkarren und Ähnliches.
Im zweiten Raum befanden sich Dinge rund um die Küche, wie alte Kohleherde, Koch- und Essgeschirr, von Hand zu drehende Kaffeemühlen, gehäkelte Topflappen in sämtlichen Mustern, Holzlöffel, Schöpfkellen usw., aufgelockert durch altmodische Küchenschränke mit ihren Brotfächern und mit Gardinchen behangenen Schranktüren.
Selbst große Wäschebottiche, deren Wasser von unten noch mit Holzfeuer oder Briketts auf Kochtemperatur gebracht werden mussten, waren hier aufgestellt. Waschbretter und Wäschezangen gehörten ebenso dazu.
Viele Requisiten waren noch handgefertigt, gezimmert, geschustert, verziert, graviert oder Sonstiges und trugen noch die Initialen ihrer Schöpfer.
Im nächsten Zimmer konnte man Kleidungsstücke bewundern. Tanja und Rike hatten sich von einer Bekleidungsfirma zu diesem Zweck Schaufensterpuppen sponsern lassen, denen sie die alten Reif-Röcke , Rüschenblusen, Küchenschürzen, Petticoats, selbst gestrickte Skipullover und Socken anzogen. In einem alten Ohrensessel hatten sie einer Puppe ein Rüschenkopftuch aufgezogen, ihr eine runde Brille auf die Nase gesetzt, sie mit Omas Kleidung angezogen und ihr noch ein paar Stricknadeln und Wolle in die Hände gegeben. Sie sah wie eine richtig echte Omi aus. Ihre Füße steckten in wulstigen karierten Filzpantoffeln und ruhten auf einer Fußbank. Daneben stand ein Weidenkorb, in dem sich lauter Wollknäuel, Strick- und Häkelnadeln  befanden. Auf einem winzigen Holztischchen, auf einem selbst gehäkelten runden Tischdeckchen stand ein Kerzenständer, der die wohlige Atmosphäre symbolisieren sollte und wohl auch ursprünglich als Lichtspender gedient hatte.  Irgendwie fühlten sie sich in ein anderes Jahrhundert versetzt. Perfekt ! …..
Jetzt nur noch die Gallerie. Tanja und Rike hatten die alten, noch nicht eingerahmten Fotos liebevoll in Holzrahmen gelegt und diese dann versetzt, einige mit Kommentaren versehen, an die Wände in dem letzten Zimmer angebracht. Sie hatten darauf geachtet, diese möglichst nach Familien, Jahrgängen und Ereignissen zu sortieren. Alte Bücher, Zeitungen, viele alte Briefe, auch die von ihren Großeltern, wurden in Glasvitrinen untergebracht und mit Samttüchern unterlegt. Die Schriften der Briefe konnte man wohl sehen, nicht aber die unterzeichnenden Namen. Die hatten sie überlappt und durch einen nächsten Brief abgedeckt. Richtig chic war er geworden, der Raum. Spotleuchten bescherten  den Sehenswürdigkeiten das entsprechende Ambiente. Ach was – das ganze Dorfmuseum war einfach der Hit!
Nächste Woche sollte die Eröffnung sein und sie waren mächtig gespannt, ob alle kommen würden. Ihr Vorhaben hatten sie sogar überregional in den Zeitungen ankündigen lassen. Einige Leute hatten bereits ihr Erscheinen angekündigt. Sie gingen nochmals Raum für Raum durch und veränderten die eine oder andere Dekoration, bis sie der Meinung waren, dass jedes Detail stimmte. Sogar der Bürgermeister hatte den beiden Frauen zu ihrer hervorragenden Arbeit gratuliert und ihnen zugesagt, die Eröffnungsrede zu halten. Gemeinderat und Presse waren ebenfalls eingeladen.
Nun war es soweit. Samstag, 15.00 Uhr. Ein mächtiges Buffet mit Fingerfood, war die Spende des örtlichen Partyservices, der auch die zahlreichen Gläser für die Getränke zur Verfügung gestellt hatte. Nur um die Getränke hatten sich Tanja und Rike selbst zu kümmern.
Über dem Eingangsbereich hing ein selbst angefertigtes Schild. Darauf stand in nostalgischen Buchstaben zu lesen „Dorfmuseum Diereshausen“. Darunter befand sich seitlich ein altes Pult mit einem in Leder gebundenem Gästebuch. Hier konnten sich alle Besucher eintragen. Die beiden hatten einfach an alles gedacht.
Da kamen sie endlich – und wie sie kamen! Drei Reisebusse und etliche PKW rollten vor. Jemand hatte es so organisiert und die Alten reihum abgeholt. Natürlich gab es auch viele Besucher aus der Umgebung, die sich für das neue Museum interessierten.
Wow, damit hatten Tanja und Rike nicht gerechnet, aber sie waren natürlich begeistert, genau, wie die Besucher, die die liebevoll hergerichteten Räume bewunderten und sich oder vielmehr ihre Vergangenheit darin wieder fanden. Sie tuschelten, steckten die Köpfe zusammen, stießen sich gegenseitig an, kicherten und redeten sinnend:
„Weißt Du noch..?“
 Oder: „Guck mal, das war doch unser…., da bist Du ja, oder: Ist das nicht Deine Schrift?……“
Opa Schmitz nahm seine Enkelin stolz in den Arm:
„Tanja, wir alle hier danken Euch von ganzem Herzen. Jetzt haben wir, dank Euch beiden, einen Ort der Vergangenheit, der trotzdem weiter lebt. Ihr seid großartig. Eine ganz tolle Idee von Euch…!“
In der kommenden Woche erreichte Tanja ein Brief ihres Großvaters. Sie öffnete ihn und zog einen großzügigen Scheck in sechsstelliger Höhe heraus – für ihren und Rikes Laden – und das Museum – als Unterhaltungshilfe, sozusagen. Alle ehemaligen Bewohner von Diereshausen hatten zusammen gelegt und so ergab sich diese stattliche Summe.
Geballt bedankten sie sich, obwohl sie sich längst im Gästebuch verewigt hatten, nochmals namentlich aufgeführt,  und gaben ihrer Begeisterung wiederholt Ausdruck für die gelungene Idee und die Freude, die die beiden Frauen ihnen damit gemacht hatten.
So lebt das Dorf weiter, auch wenn es mittlerweile überflutet ist.
© Christiane Rühmann